Stuttgart 21
Das sogenannte "Stuttgart 21" Projekt genießt ja inzwischen einiges an Medienbeachtung. Beachtlich finde ich daran aber vor allem, was für grobe und offensichtliche Fehler die Entscheider dabei gemacht haben. So wurden zuerst einmal zwei Projekte zu einem vermischt, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben: auf der einen Seite ein neuer Bahnhof für Stuttgart, zusammen mit wesentlichen Änderungen an der städtischen Schienenverkehrsführung, auf der anderen Seite ein Neubau der Bahnstrecke Wendlingen-Ulm. Wahrscheinlich waren die Gründe dafür, dass für das eine ohne das andere nicht so leicht Gelder aufzutreiben gewesen wären. Bike-Shedding eben. Schließlich ist es leichter, ein Bauprojekt "unvorhergesehen" teurer werden zu lassen, wenn erstmal genügend Beteiligte mit im Boot sitzen - hier z.B. der Bund, das Land BW, die Stadt Stuttgart und die EU. Allerdings hat diese Verquickung auch gleichzeitig noch ein gigantisches Pulverfass mit eingekauft, das in den letzten Monaten hochgegangen ist.
Der nächste Fehler findet sich dann in den Verträgen. Da die Entscheider anscheinend jegliche Rückzugsklauseln vergessen (?) haben, bedeutet ein möglicher Abbruch des Baus nun einen Vertragsbruch, der entsprechend teuer zu bezahlen ist. Mit einem geschätzten Achtel der Kosten natürlich immer noch wesentlich günstiger als der Bau selbst, aber alles andere als kostengünstig. Unterm Strich würde ein Vertragsbruch und eine Beschränkung auf die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm jedoch immer noch einige Milliarden Euro einsparen, ohne ernsthafte Nachteile mit sich zu bringen.
Und der dritte große Fehler ist die Außenkommunikation. Nur wenige sind dafür geschaffen, so resolut Probleme auszusitzen wie ein Helmut Kohl. Aber zur Schau getragene Ignoranz gegenüber einem realen Pulverfass verhindert eben doch nicht, dass dieses hochgeht. Dass die Stadt Stuttgart nun nach einem Kommunikationshelfer sucht, ist da eher ein Lacher am Rande. Daran hätte eher das Land BW Bedarf gehabt, und zwar vor etlichen Jahren. Die Außenkommunikation wirkte dermaßen arrogant gegenüber den Projektgegnern, dass sie praktisch keinen anderen Ausweg mehr zuließ als den zur Eskalation.
Ein ganzer Haufen selbst eingebrockter Süppchen also. Wenn es gut läuft, wird nur die Neubaustrecke vollendet, mit einem Vertragsbruchkostenzusatz von vielleicht einer Milliarde Euro und möglichen weiteren Kosten, da die Finanzierung neu aufgeteilt werden muss und sich die Stadt Stuttgart daraus wahrscheinlich zurückzieht. Vielleicht wird auch gar nichts gebaut, weil die Finanzierung in sich zusammen bricht, da sie plötzlich mit realistischeren Zahlen operieren muss als zur Zeit der ursprünglichen Entscheidung. Vielleicht bleibt ja auch alles beim Alten und die Bevölkerung in BW besinnt sich darauf, dass das bisschen Aufregung um ein paar Milliarden Euro mehr oder weniger noch lange nicht die Gefährdungen eines demokratischen Regierungswechsels rechtfertigt. Wer weiß. Aber vielleicht, ja, vielleicht lernt ja auch mal jemand etwas daraus.